Beschreibung
KITTY KINO ist Wienerin, Filmregisseurin und Fotografin. KITTY KINO geht dort auf Entdeckungsreise, wo schon alles bekannt zu sein scheint. KITTY KINO porträtiert Wien auf ihren nächtlichen Streifzügen. KITTY KINOs spezielle Handschrift, ihre fast bis ins Abstrakte gehenden Farb- und Bildkompositionen und ihr spielerisch angewandter „Pixilismus“ – kreiert mithilfe eines Nokia-6131-Mobiltelefons –, setzt außergewöhnliche Akzente zwischen Fotografie und Malerei. Fotografische Pinselstriche. Plus lucis VIENNA.
Ein Handy mit eingebauter Kamera – die reinste Enttäuschung. Bei schönstem Sonnenschein: die Fotos flau, grob und stumpf. Aber konnte ich auch mehr erwarten, bei dieser geringen Auflösung? Das war 2007.
Eines Nachts auf dem Heimweg, aus einer Laune heraus, habe ich einen zweiten Versuch gestartet. Erstaunlich: die Straßenbeleuchtungen zu Blitzen und Sternen zerrissen, die Farben grell und wundersam verfälscht, die Gebäude zu einzelnen Bildpunkten atomisiert – fast transparent und wie in Bewegung versetzt; das Schwarz des Himmels dagegen so undurchdringlich Rabenschwarz. Aber manchmal, wenn es für das Auge schon längst Nacht zu sein scheint, strahlt der Himmel auf diesen Fotos immer noch in einem wunderschönen Blau. Auch dieses Blau zeigt die einmalige Struktur, die sich vom lästigen Rauschen anderer Nachtaufnahmen grundlegend unterscheidet.
Ich nenne die Ästhetik dieser Aufnahmetechnik PIXILISMUS und den Fotozyklus KUNST.STADT.NACHT. Und immer wieder überrasche ich mich selbst mit den Resultaten meiner nächtlichen Ausbeute. Filter oder andere Nachbearbeitungen – außer Helligkeitsanpassungen und kleinen Retuschen – sind dabei kein Thema. Selbst den Bildausschnitt verändere ich selten – wohl eine Angewohnheit vom Filmemachen. Es scheint auch, als wären die Fotos dieser winzigen Handykamera völlig unbeeindruckt von der Dimension der Ausarbeitung: schwarz bleibt schwarz, Pixel bleibt Pixel, Farbe bleibt Farbe. Größenbedingte Unschärfe gibt es nicht.
Natürlich hat das Gerät auch seine Schwächen: Der Speicher ist schon nach etwa 30 Aufnahmen voll, und der Akku ist ebenso bald leer. Es ist fast wie bei der Analogfotografie, man muss mit den Ressourcen sehr sparsam umgehen.
Inzwischen: Ich hüte das kostbare veraltete Nokia 6131, denn nur mit diesem kann ich die Ikonen der Stadt im schwarzen Rahmen der Nacht in Licht- und Farbschimären verwandeln; nur mit diesem gelingt es mir, das Feststoffliche von Bauwerken, Denkmälern oder Skulpturen in Bewegung zu versetzen und fast bis ins Abstrakte zu atomisieren. Dabei reizen mich natürlich auch die Fragen, ob eine neue Sicht auf tausendmal abgelichtete Wahrzeichen möglich ist und ob es gelingt, dem Paradox auf die Spur zu kommen, das für mich Typische im Einmaligen zu finden. Künstlerische Bilder, schrieb der Filmemacher Andrej Tarkowskij, sollen keine Assoziationen, sondern Erinnerungen an die Wahrheit hervorrufen.